Salman Rushdie: Exlusivinterview mit dem Friedenspreisträger

Friedenspreis des deutschen Buchhandels

Salman Rushdie: Meister der unbeugsamen Erzählfreude

Salman Rushdie wird auf der 75. Frankfurter Buchmesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Die Begründung der Messe: "seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert".

Friedenspreis 2023: Rushdie-Rede und Kehlmann-Laudatio

Salman Rushdie erhält im Rahmen der 75. Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Der Schriftsteller, der im August 2022 in den USA bei einem Attentat auf offener Bühne lebensgefährlich verletzt wurde, kehrt dabei auch persönlich in die deutsche Öffentlichkeit zurück. Der in Berlin und New York lebende deutsch-österreichischer Schriftsteller Daniel Kehlmann ist seit vielen Jahren mit dem Preisträger befreundet. Er hält in der Frankfurter Paulskirche die Laudatio auf Salman Rushdie.

Salman Rushdie: ein Unbeugsamer für das freie Wort

Salman Rushdie - Das Interview: Das erste und einzige lange Fernsehinterview, das der Autor nach dem Attentat gibt, exklusiv für die Literatursendung "druckfrisch".

Attacken auf Salman Rushdie

Kurz vor der Veröffentlichung seines neuesten Romans "Victory City" wurde Rushdie im August 2022 Opfer einer Messerattacke, die er nur knapp überlebte. Todesdrohungen gegen den indisch-britischen Schriftsteller gibt es bereits seit den späten achtziger Jahren. Damals hatte Rushdie seinen Roman "Die satanischen Verse" (1988) veröffentlicht. Der Roman enthält diverse persiflierende Anspielungen auf Persönlichkeiten des Islam oder den Koran, die die muslimische Welt teilweise in Aufruhr versetzten. Der im Buch beschriebene Imam erinnert beispielsweise an Ayatollah Khomeini, den religiösen Führer der Islamischen Revolution von 1979. Khomeini war nach der Revolution zum iranischen Staatsoberhaupt geworden und sprach aufgrund der "Satanischen Verse" eine Fatwa auf Salman Rushdie aus. Alle gläubigen Muslime waren dazu aufgerufen, den Autor zu töten – sogar ein Kopfgeld setzte Khomeini aus.

Jahrelang lebte Salman Rushdie deshalb unter strengem Polizeischutz an immer wechselnden, geheimen Orten. In den späten neunziger Jahren entspannte sich die Lage wieder, nachdem die Regierung des Iran erklärt hatte, die Ermordung Rushdies nicht mehr zu unterstützen. Der Autor lebte in den vergangenen Jahren ein weitgehend normales Leben und trat sogar wieder öffentlich auf.

Salman Rushdie: "Ich fühle mich nicht als Held, sondern als arbeitender Schriftsteller"

„Niemand will ein Held sein - das wird dir aufgezwungen. Ich fühle mich nicht als Held, sondern als arbeitender Schriftsteller.“ Das sagt der britisch-indische Autor Salman Rushdie, der an diesem Sonntag den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhält. Aus Anlass der Friedenspreisverleihung hat Katja Deiß in New York ein langes Interview mit Salman Rushdie geführt - für titel, thesen, temperamente in der ARD und für das arte-Kulturmagazin Twist. Entstanden ist ein bewegendes Gespräch über das Wunder des Lesens, die Rolle des Autors, über Lüge, Wahrheit und Fiktion - und über das Heldentum wider Willen in Zeiten des zurückkehrenden Faschismus.

Durchbruch mit "Mitternachtskinder"

Geboren wurde Salman Rushdie 1947 in Bombay, später zog er nach Großbritannien und studierte am King’s College in Cambridge Geschichte. Sein erster großer Erfolg war der Roman "Mitternachtskinder" (1981). Ein Kernmoment im Roman ist der 15. August 1947, als der indische Staat um Mitternacht unabhängig von Großbritannien wird. In einem Krankenhaus in Bombay vertauscht eine Hebamme zwei Neugeborene, die anschließend unter konträren Umständen aufwachsen, der eine sehr reich und der andere sehr arm. Im Buch geht es um Schicksal und Entwurzelung vor dem Hintergrund der Geschichte des indischen Subkontinents und dessen Befreiung aus der Kolonialherrschaft. Der Roman wurde mit dem wichtigsten britischen Literaturpreis, dem "Booker-Preis" ausgezeichnet und kennzeichnet Salman Rushdie als einen Vertreter des "magischen Realismus".

Salman Rushdie und der "magische Realismus"

Texte dieser Gattung zeichnen sich durch eine Vermischung von fantastischen und realistischen Elementen aus. Durch diese Verfremdung bislang bekannter Wirklichkeiten soll eine neue Sicht auf die Dinge ermöglicht werden. Literatur des magischen Realismus wirkt zunächst womöglich unpolitisch, bietet aber eigentlich ein großes gesellschaftskritisches Potenzial, weil über die Rahmenhandlung an der Oberfläche tiefere Thematiken vermittelt werden können.

Salman Rushdie selbst gilt dabei als fantasievoller, orientalischer Erzähler, der in seinen Werken Mythos und Wirklichkeit, Zauber und Poesie miteinander verflechtet. Er bediene sich gerne märchenhafter Erzählweisen, weil die Literatur so wundervolle Möglichkeiten biete, das Reale abzubilden, sagt der Autor. Schließlich habe die Literaturgeschichte mit Fabeln und Märchen begonnen, er versuche einfach nur, diese zeitgenössische Form der Literatur neu aufleben zu lassen.

Trotz Fatwa den Humor nie verloren

In der Literatur wie im echten Leben ist Salman Rushdie außerdem für seinen ausgeprägten Sinn für Humor und Komik bekannt. Auch die über ihn verhängte Fatwa nahm Salman Rushdie häufig mit Humor. Beispielsweise bei einem Auftritt in der US-Sitcom "Curb Your Enthusiasm" im Jahr 2017. Sarkastisch erklärt Rushdie dem Talkshow-Host Larry David, einer der Vorteile sei nun, dass er eine Entschuldigung für sämtliche soziale Anlässe haben. Solle er jemanden vom Flughafen abholen, antworte er nur: "Geht nicht, Fatwa". Die gefährliche Aura der Fatwa habe außerdem seine Anziehungskraft auf Frauen stark erhöht. Die Sitcom-Macher veröffentlichen anschließend "Fatwa! The Musical" – allerdings lediglich als Aufzeichnung. Öffentlich aufgeführt wurde das Stück nie.

Nach den Attacken auf den Autor im August 2022 ließ Rushdies Sohn Zafar wissen: "Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen bleibt sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt".

Ein Bücherregal mit einer Auswahl an Büchern.
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