In Amsterdam gab es im Frühjahr 2023 eine Jahrhundertausstellung mit so vielen Vermeer-Bildern wie noch nie. 37 Gemälde des Niederländers Jan Vermeer sind bekannt, alles Meisterwerke in der Inszenierung des Lichts. Sein "Mädchen mit dem Perlenohrring" ist heute eine Pop-Ikone. Aber auch die anderen Bilder haben eine unvergleichliche Magie: Nie zuvor hat der Alltag so geleuchtet, nie zuvor hat ein Maler einfache private Szenen mit Mädchen und Frauen so gestaltet, als hätten sie ein großes Geheimnis. Nach seinem Tod 1675 wurde Vermeer vergessen. Wiederentdeckt haben ihn die Impressionisten.
"Dies malte ich mit 30 Jahren an meinem 6. Hochzeitstag", notiert Paula Modersohn-Becker unter ihr Selbstporträt mit nacktem Busen und Babybauch. Doch als sie 1906 dieses bahnbrechende Bild malt – der erste Selbstakt einer Frau in der Kunstgeschichte –, ist sie weder schwanger noch sechs Jahre verheiratet. Gegen den Willen des Vater hat sie ihr Leben der Malerei verschrieben, gehörte zur Künstlerkolonie in Worpswede und war mehrfach in Paris. 1907 bringt sie ihre Tochter Mathilde zur Welt – und stirbt kurz darauf. 20 Jahre später entsteht in Bremen das Paula-Modersohn-Becker-Museum.
Einsamkeit, Verzweiflung, Geldsorgen, aber die Gewissheit, dass die Kunst seine Bestimmung ist: Vincent van Gogh ist zu Lebzeiten ein genialer, ziemlich erfolgloser Einzelgänger. Modelle kann er sich selten leisten, also malt er Landschaften, Sonnenblumen und alte Stiefel. In oder nach einem bis heute ungeklärten Streit mit seinem Freund Gauguin geht ein Stück von van Goghs Ohr drauf. Einer Prostituierten soll er das Stück gegeben haben mit den Worten "Du wirst dich meiner erinnern, das sag ich dir." Erst lange nach seinem Tod finden seine leuchtenden, kraftvollen Bilder ihr Publikum.
Bevor Niki de Saint Phalle ihre bunten, sinnlichen Nanas schuf, musste sie sich von ihrer Herkunft emanzipieren: adliges Elternhaus, streng katholisch erzogen und vom eigenen Vater missbraucht. Ihre Kunst will das Ende des Patriarchats. So beginnt ihre Karriere in den 1960er-Jahren: als "Terroristin der Kunst", wie sie selber sagt. Aber auch ihre Nanas waren anfangs umstritten. Heute sind sie Klassiker, Symbole befreiter Weiblichkeit. Kurz vor ihrem Tod wurde Niki de Saint Phalle Ehrenbürgerin Hannovers, weswegen sie die meisten ihrer Werke dem Sprengel-Museum schenkte.
Selbstbewusstsein war ihm in die Wiege gelegt: Der Spanier Pablo Picasso war, wenn es um ihn und seine Kunst ging, ein rücksichtsloser Egomane. Natürlich war er ein Genie, ein bahnbrechender Künstler. Die Porträts seiner Frauen und Musen zeigen die stilistischen Brüche und ästhetischen Neuanfänge seines Wegs als Maler. Olga, Francoise und Jacqueline hat er geliebt, gemalt – und irgendwann hatte er genug von ihnen oder sie von ihm. Sein letztes Modell, die 19-jährige Sylvette, wurde von ihrem Verlobten begleitet, wenn sie sich vom 73-jährigen Picasso malen ließ. Der Macho hatte seinen Ruf weg.
Malen konnte er, aber irgendwie hat ihn das nicht interessiert. Marcel Duchamp wollte lieber die Kunstwelt aufmischen. Am berühmtesten sind seine "Readymades": Gegenstände aus dem Kaufhaus, die er signiert und zu Kunst erklärt: ein Flaschentrockner, ein Rad, ein Pissoir. Die Mona Lisa schnappte er sich als Postkarte und verfremdete sie mit einem Schnurrbart. Humorvolle Provokation, Grenzen verschieben, Gewissheiten aufbrechen: Das war seine Mission. Er liebte die Kunst, die Frauen und das Schachspiel und starb an einem Lachanfall. Die größte Duchamp-Sammlung in Deutschland hat das Staatliche Museum Schwerin.
NDR | 2023 | 30 Folgen
Moderation: Bianca Hauda
Realisation: Maria Wensel
Producerin: Laura Wilbert
Redaktion: Annette Plomin und Christoph Bungartz
Eine Produktion von Leitwolf Film im Auftrag des NDR, Norddeutscher Rundfunk
Weitere Inhalte in der ARD Mediathek und der ARD Audiothek entdecken.