Es läuft nicht mehr rund im Lokaljournalismus. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern gibt es einen regelrechten Kahlschlag bei den traditionellen Tageszeitungen, an deren Stelle treten teils dubiose Anzeigenblätter. Aber was ist zu tun, wenn der freie Markt bestimmt, wieviele Menschen Zugang zu regionalen Informationen haben?
Darüber soll es in der aktuellen Folge gehen. Zu Gast ist Roger de Weck, der frühere Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens, Mitglied des Zukunftsrats für Reformen bei ARD, ZDF und Deutschlandfunk. Mitte Oktober erscheint sein neues Buch mit dem Titel "Prinzip Trotzdem” - Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen.
Wir trinken immer weniger Alkohol. Vor allem unter Jugendlichen geht der Konsum zurück. Das zeigen Statistiken, aber auch ein Blick in die sozialen Medien. Hashtags wie "Sober October" trenden regelmäßig, Promis und Influencer vermarkten mittlerweile ihre eigenen nicht-alkoholischen Drinks. Ist Alkohol also bald das neue Rauchen - in der Öffentlichkeit verpönt? Oder steigen wir einfach um auf andere Drogen? Denn die Sehnsucht nach Rausch und Exzess bleibt uns ja erhalten.
Eva Biringer freut sich über die neue Nüchternheit. Die Journalistin und Autorin hat selbst jahrelang viel getrunken, zu viel, wie sie in ihrem Buch "Unabhängig" beschreibt. "Wenn wir uns anschauen, wo früher überall geraucht wurde: Im Kino, im Flugzeug, im Rathaus. Das ist für heutige Verhältnisse unvorstellbar. Vielleicht sagen künftige Generationen: ‘Oh wow, ihr habt wirklich immer getrunken.’"
Alkohol sollte aber nicht einfach stigmatisiert werden, sagt der Kulturwissenschaftler Robert Feustel. Die Trennung zwischen Alkohol und anderen, meist illegalen Drogen findet er scheinheilig. "Ich erhoffe mir von dieser Diskussion um Alkohol eine ehrlichere Auseinandersetzung mit unserem Drogenkonsum insgesamt."
AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen: Wie leistet man jetzt Widerstand? Nie wieder ist jetzt. Oder nie wieder ist gestern? Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen beschäftigen seit knapp einer Woche Deutschland. Und so verständlich der Wunsch auch ist, sich bei den Ergebnissen einfach unter der Bettdecke zu verkriechen, sollte genau das nicht passieren. Resignation?
Keine Option für den Politikwissenschaftler und Autor Arne Semsrott: "Es wird natürlich schwerer mit der Zeit, aber aufgeben? Das ist einfach nicht. Wenn es darum geht, dass es 1.000 Schritte auf dem Weg dahin gibt, dann gibt’s eben auch 1.000 Schritte, um das aufzuhalten".
Genau das beginne meistens vor der eigenen Haustür, durch Vereine, Initiativen und vor allem mit viel Durchhaltevermögen: "Gesellschaftspolitisches Engagement geht über rein politische Reaktionen hinaus. Es ist wichtig, dass man den Hass und die Kälte der Rechten kontert," sagt Sven Kaseler, Gründer der sächsischen Initiative "Augen auf - Zivilcourage zeigen".
"Früher ließen sich Kandidaten einen Bart wachsen, um sich neu zu erfinden”, erinnert sich die ehemalige Auslandskorrespondentin der Zeit in Washington, Kerstin Kohlenberg. Heute sehe man stattdessen eine "Memefication”. So ist es aktuell bei der möglichen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten Kamala Harris: Sie wird "erzählt” als cooles, ehrliches und direktes "Brat-Girl” mit Ecken und Kanten.
Auf Social Media hat man ihr diesen Gefallen getan - und ihr Wahlkampfteam ist klugerweise aufgesprungen. Zwar kommt das etwas spät, aber Kommunikationswissenschaftler Klaus Kamps bewertet dies dennoch als "einen frischen und guten Start der Kampagne". Dies Podcastfolge wirft einen Blick auf die Kniffe der politischen Kommunikation: Wann funktionieren Narrative? Und wie erklärt sich die mit Pathos aufgeladene und oft persönlich verletzende Wahlkampfrhetorik in den USA?
In den Nullerjahren war er so etwas wie der Antichrist der Rapmusik: Slim Shady. Dessen Schöpfer Eminem bzw. Marshall Mathers hat ihn extrem gewaltverherrlichende und frauen- und queerfeindliche Dinge tun und sagen lassen. Kritiker warfen ihm "mind pollution” vor; er galt nicht nur in den USA als eine ernste Gefahr für die Jugend. Und heute? Wärmt Eminem seine Kreatur auf, um sie auf seinem neuen Album "The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)” gleich wieder zu Grabe zu tragen. Zu Recht? Passen solche derben Kunstfiguren nicht in unsere Zeit? Weil man ihren Sexismus nicht mehr so einfach überhören kann wie damals?
Unsere Meinungen zum Comeback von Slim Shady gehen weit auseinander. Wir stehen irgendwo zwischen "Kunst darf das!” und "langweilig!” oder sogar "gefährlich!”. Und dann verraten wir euch noch, wann wir selbst harten Rap hören, den man nicht allzu ernst nehmen sollte.
Tausend Dinge anfangen. Sich für ein neues Hobby begeistern. Viel Geld dafür ausgeben. Nach zwei Wochen das Interesse verlieren. Ungeduldig, immer auf Achse und den Kopf voller Ideen. Sind das Eigenheiten oder ist das schon ADHS? Auf Instagram und TikTok teilen Influencer sehr persönliche Anekdoten aus ihrem Leben als neurodivergente Person. Einen der bekanntesten Accounts hat Angelina Boerger: Als "Kirmes im Kopf” erreicht sie knapp 100.000 Follower. Sie hat ihre Diagnose erst mit Ende zwanzig erhalten. Ein Problem, das besonders Frauen kennen. Auch deshalb ist es ihr ein Anliegen, über ADHS aufzuklären: "Ich biete eine bunte Mischung aus gefühligen Themen und fundierten wissenschaftlichen Infos”. Kann Social Media Betroffenen den hohen Leidensdruck nehmen? Besonders wenn die Arztpraxen voll und die Wartezeiten lang sind? Oder ist der Content so vereinfachend, dass man Krankheiten bei sich findet, die man gar nicht hat? Diese Fragen diskutieren wir mit der Sachbuchautorin und Influencerin Angelina Boerger.
Fans füllen Fußballstadien, Konzerthallen und dominieren das Internet. Sie zeigen stolz ihre Kultur und Leidenschaft, sei es für einen Zweitligaverein oder einen Megastar wie Taylor Swift. Mitsingen ist erwünscht, und die Emotionen reichen von Ekstase bis tiefer Trauer. Aber warum ist das so? Warum verehren und bewundern wir völlig Fremde oder Institutionen wie einen Verein? Warum verwandeln wir uns, wenn wir als Fans auftreten? Und war das schon immer so? Die Autorin und Fußballfan Anne Hahn sagt: "Der Reiz liegt in der Gemeinschaft." Ihre Initialzündung erlebte sie bei einem Spiel des 1. FC Magdeburg, als ein verschwitzter älterer Mann sie in den Arm nahm. Ist Fan-Sein also eine soziale Utopie, eine selbstgewählte Gemeinschaft? Oder doch vor allem eine nie endende Adoleszenz, in der das Teenager-Gefühlschaos zur Norm wird?
Europa wählt und alle sind im Krisenmodus: Putin, Rechtsextremismus, schwächelnde Wirtschaft. Und wer soll es retten? Wir Europäer*innen! Aber dieses "Wir" ist ganz schön vertrackt.
Der Weltraum hat vor allem die Zukunftsvorstellung in den 60er- und 70er-Jahren geprägt. Schriftsteller*rinnen und Filmemacher*innen begannen damals, Science-Fiction-Szenarien zu entwerfen; die vielleicht bekanntesten, darunter natürlich die verschiedenen Star Trek-Serien. Darin entstand ein ganzes Design-Universum mit Innenausstattungen, die heute Klassiker sind. Irgendwo zwischen pragmatischer Form und bunter Fantasiewelt. Was ist vom utopischen Gehalt dieser Zukunftsdesigns damals geblieben und welche Ideen haben und brauchen wir heute als Gesellschaft?
Fast ein Viertel der 14- bis 29-Jährigen würde laut einer Jugendstudie die AfD wählen - eine beunruhigende Erkenntnis, die viele Fragen aufwirft. Eine davon ist die Rolle von TikTok, wo zwei Drittel der jungen Wählerschaft aktiv sind. Die Plattformlogik, die auf Dualismus, emotionalisierten Inhalten und komprimierten Botschaften basiert, könnte der AfD in die Hände spielen. Mit 400.000 Followern nimmt die Partei eine dominante Stellung auf TikTok ein, während andere Parteien versuchen, nachzuziehen. Doch wie kann man dort authentisch und überzeugend kommunizieren?
Eine Computeranalyse der Uni Innsbruck kommt zu einem bemerkenswerten Schluss: Die Songtexte erfolgreicher Popmusik würden seit 1970 immer simpler. Das heißt, sie verwenden weniger und weniger komplexe Worte, arbeiten viel mit Wiederholungen und sind außerdem grammatikalisch einfach gestrickt. Aber selbst wenn dieser Befund stimmen sollte: Muss denn einfach auch gleich schlecht sein? Und: Kann ein Computer wirklich die Qualität eines Textes erfassen? Der Medien- und Literaturwissenschaftler Jörn Glasenapp ist da skeptisch.
Immer freundlich sein, nie "Nein" sagen, sich um andere kümmern. Das sind Erwartungen, die typischerweise an das weibliche Geschlecht geknüpft sind. Die Autorin Sophia Fritz hat gerade den Begriff der "toxischen Weiblichkeit” in den breiteren Diskurs eingeführt, quasi als Pendant zur "toxischen Männlichkeit".
Wie sinnvoll, aber auch problematisch sind solche Kategorien? Kann man sich denn überhaupt von sozialen Rollen freimachen? Wie sähe ein nicht-toxisches Leben aus? Für die Bestsellerautorin Şeyda Kurt hält "toxische Weiblichkeit” das Patriarchat am Leben.
Aber wird man mit solchen Werkzeugen den Realitäten gerecht? Der Autor und Video-Creator Ole Liebl findet das Konzept zu binär gedacht. Bestimmte Verhaltensweisen würden damit in starre Geschlechternormen gepresst.
Die Stockfotografie stirbt, doch ihre Ästhetik wird deshalb noch lange weiterleben. Sie geht über in die DNA künstlicher Bild-KIs. Sie sind ihre Grundlage, ihr Trainingsmaterial, ihr Gehirnfutter. Die oft verlachten und oft künstlerisch nicht ernst genommene Gattung trägt uns in die Zukunft mit künstlicher Intelligenz und deren Bildgeneratoren. Zum Ärger des ganzen Berufszweigs.
In vielen Bereichen der generativen künstlichen Intelligenzen wehren sich Autoren, Medienhäuser, Künstler und Fotografen gegen die Verwendung ihrer Werke, mit denen diese KIs ohne ihre Einverständnisse und finanzielle Beteiligung trainiert werden und zur Supermacht aufsteigen.
Völlig entgrenzt - Wie stoppt man den Machtmissbrauch im Schauspiel? Castings unter vier Augen, im Hotelzimmer. Regisseure, die einem zu nahe kommen. Kollegen, die rumbrüllen und andere klein machen. Wer in der Film- und Theaterbranche Macht hat, der nutzt sie immer noch viel zu oft aus. In der NDR-Doku "Gegen das Schweigen” berichten Betroffene von zweideutigen Angeboten und übergriffigem Verhalten. Welches Ausmaß hat der Machtmissbrauch im Schauspiel? Und was muss sich im System konkret ändern? Dafür haben wir mit den Schauspielerinnen Alina Levshin und Melina Pyschny gesprochen, die selbst cholerische Stars am Set, aber auch körperliche Grenzübertritte bis hin zu sexuellem Missbrauch erleben mussten. Lisa Jopt vom Verein ensemble-netzwerk erklärt, wie groß die Abhängigkeiten am Theater sind. Und es wird deutlich: Es braucht nicht nur neue Strukturen, sondern auch mehr Solidarität.
Wer heute Kunst studiert, braucht viel Energie. Nicht nur, um die eigenen künstlerischen Visionen umzusetzen, sondern auch um sich erfolgreich selbst zu vermarkten. Denn von der Kunst leben, das klappt nur bei den wenigsten. Während einige durch hohe Verkaufspreise profitieren, müssen viele andere Nebentätigkeiten nachgehen. Dies zeigt die Diskrepanz im Kunstmarkt und die Notwendigkeit einer Balance zwischen finanzieller Sicherheit und künstlerischer Freiheit.
Alle älteren Folgen von "Was geht – was bleibt?" sind hier in der Audiothek zu finden.
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