Das Hamburger Quartett Tocotronic hat sich von Album zu Album stets zu verändern gewusst. Wenn auch einige so genannte "Fans der ersten Stunde" mit der Entwicklung weg von den frühen knackig-punkigen Stücken hin zu elegischen, fast symphonischen Songs wenig anfangen konnten, haben sich Dirk von Lowtzow (Gesang/Gitarre), Arne Zank (Schlagzeug) und Jan Müller (Bass) sowie der "neue" Gitarrist Rick McPhail in den letzten dreizehn Jahren einen festen Platz unter den wichtigsten Rockbands dieses Landes erspielt.
Mitte der Neunziger erschien die Band aus Hamburg auf der Bildfläche der deutschen Indie-Szene. Ihre Mitglieder hatten interessante Frisuren, bunte Trainingsjacken und Schlaghosen an, machten einen Sound irgendwo zwischen Rock, Grunge, Noise, Indiepop und Punkrock und schredderten cool ihre Gitarren und polterten derbe mit den Drums.
Sänger Dirk von Lowtzow sang coole Parolen wie "Du bist hier nicht in Seattle, Dirk", "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein" oder "Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst". Der junge Mann aus dem beschaulichen, südbadischen Offenburg schrie sich in seiner neuen Wahlheimat den angestauten Kleinstadtfrust von der Seele und erschuf mit seiner Band und anderen Mitstreitern ein neues, eigenes Hamburger Genre.
Über die Jahre wurde der Sound der Band komplexer, ihre Texte allgemeingültiger, ihr Aussehen seriöser. Aber ihre Haltung ist geblieben: Tocotronic sind immer noch Anti-Establishment und Anti-Spießertum, nur dass sie inzwischen eine der anerkannt wichtigsten Bands im Lande sind, deren Stimme auch in Kulturmagazinen gehört wird.
Dirk von Lowtzow - vocals, guitar
Rick McPhail - guitar
Jan Müller - bass
Arne Zank - drums
WDR | 2006 | 53 Min.
Eine Produktion vom Rockpalast für den WDR, Westdeutscher Rundfunk
Bildrechte: picture-alliance/jazzarchiv | Isabel Schiffler; WDR/Rainer Leigraf